THE VOODOOS, Berlin
Nun habe ich, dank Mathias Buck, endlich ein Foto von The Voodoos aus Berlin. Ihnen gebührt ein Platz ganz oben in der Beatehrenlegion. Sie waren die Band, welche der Rockoper „Robinson 2000“, uraufgeführt am 30. Juni 1967 im Theater des Westens, dem Operettenhaus der Stadt Berlin, den musikalischen Unterbau gaben. Das Libretto war von Peter Moebius geschrieben, die 40 Songs von Ralph Moebius komponiert. Er würde später zu Rio Reiser werden. Marion (März) und Peter Horten waren Teil des Ensembles. David Garrick spielte den Robinson und im Publikum saßen Pete Townshend, Ray Davies und Charlie Watts. Später gab es dann noch Rockopern in England, „Arthur“, „Tommy“, „S.F.Sorrow“, aber früher als „Robinson 2000“ war keine. Siehe dazu im Buch „Shakin‘ All Over – die Beatmusik in der Bundesrepublik Deutschland 1963 – 1967“. Ein weiteres Voodoos-Foto findet ihr bei Postkarten.
MIKE WARNER and The New Stars
THE VANGUARDS, Berlin
Da hatten sie gerade die Lehre beendet und dachten sich: „Werden wir doch Profimusiker, da muss man morgens nicht so früh aufstehen!“ Also packte man Zelte, Schlafsäcke, Badehose und zwei Unterhosen zum Wechseln nebst Instrumenten und Verstärkern ins Auto, und ab ging’s von Berlin auf den Zeltplatz in Osterode im Harz.
In Osterode hörte man, dass in der Barbina in Dortmund eine Band ausgefallen sei. Drei Tage Aushilfsjob – „das machen wir!“ Am ersten Abend nach dem dritten Lied kam der Besitzer W. Bellmann und legte einen Vertrag vor: der erste Monatsjob! DM 6000,- brutto!
Nachmittags war die Barbina nicht geöffnet, aber von 19 Uhr abends bis 4 Uhr morgens hieß es für die Vanguards: „Hämmern!“
Axel Bellmann ließ sich dann auch gleich als Manager einsetzen und bekam ab sofort Prozente.
>>Vanguards 1. Profivertrag 1964
Schicke Anzüge hatten sie mitgebracht.
Bodo Hinze: „In dem Monat wurden wir in allen Zeitungen im Ruhrgebiet als ‚deutsche Beatles‘ hochgejubelt. Das ist das Foto dazu.“
Die Zeitungsberichte gaben ordentlich Schub. Bodo Hinze: „Casey Jones spielte auch irgendwo in Dortmund einen Monatsjob mit seiner Band. Die waren aber noch nicht so bekannt. Er versuchte dann, mit uns auf sich aufmerksam zu machen.“ Also kam er auch zum Stelldichein auf der Go-Kart-Bahn, die lag bei der Barbina um die Ecke.
Die Vanguards kriegen Monatsjob auf Monatsjob. Von Dortmund geht’s ins Siegerland, in die Romantica (siehe „Clubs…“). Nun erleben sie die wildesten Schuppen, u.a. den Gasthof Zur Krone in Duisburg. Da ging’s mördermäßg her (siehe „Clubs…“).
Die Band ist nun im Ranch-Haus in Kettwig engagiert und macht ein paar lustige Fotos an der Ruhr. Man beachte die schönen Pantinen von Neu-Drummer Ulrich Lehmann.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Ranch-Haus, Kettwig, Juli 1965
Schon im Dezember hat man ein Re-Engagement. Die Band hat Erfolg.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Ranch-Haus, Kettwig, Dezember 1965
Es geht kreuz und quer durch die Bundesrepublik.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Studio U 1, Haus Gambrinus, Mannheim
Und dann gibt es plötzlich zwei Verträge für den gleichen Monat. Ob sich da jemand in der Lokalität vertan hat?
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Crazy Foal, Duisburg-Ruhrort, Juni 1966
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Duisburg-Meiderich, Juni 1966 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Duisburg-Meiderich, Juni 1966 Seite 2
Schon im Februar 1966 hatte die Bellaphon Schallplatten vor der Tür gestanden und wollte gerne von The Vanguards profitieren. Man bindet die Band durch einen Optionsvertrag.
>>The Vanguards und Bellaphon, Optionsvereinbarung über eine Schallplatte 19.2.66
Sechs Tage später lässt man die Band einen Plattenvertrag unterschreiben, welcher der Band quasi kein Einkommen sichert und alle Gelder in die Bellaphon-Kasse klingeln lässt: dies ist ein typisches Beispiel für das ausbeuterische Rechtesystem seitens der Plattenfirmen in der BRD. Als Konsequenz fühlt sich kein Musiker bemüßigt, originäre Musik bei Plattenfirmen abzuliefern. Man schießt sich quasi selbst ins Knie. So können britische Plattenfirmen den deutschen Markt gleichsam für sich vereinnahmen. Firmen wie Bellaphon sind bald nicht mehr – sie haben sich den eigenen Ast abgesägt.
>>The Vanguards und Bellaphon, Vertrag über Schallplattenproduktion, Ausbeutung vertraglich niedergeschrieben, 4 25.2.66
Selten nur kommt man zurück nach Berlin, und dann findet man die Clubs nicht dem westdeutschen Standard gemäß.
Zurück zur Band. Auch im sehr populären (und legendären) Tanzcafé Wilhelmshöhe, Trier, ist man engagiert. Aber innerhalb der Band kriselt es. Man lebt nun mehr als zwei Jahre zusammen – die Bandunterkünfte sind bestenfalls bescheiden. Einzelzimmer gibt es nicht. Gelegentlich schläft man zu viert in Betten. Wäsche waschen ist ein Problem, der Reisekoffer ist klein und deshalb dürftig bestückt. Man kennt die Marotten der Bandmitglieder, und was anfangs noch witzig war, wird nun nervig.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Tanzcafé Wilhelmshöhe, Trier, Dezember 1966 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Tanzcafé Wilhelmshöhe, Trier, Dezember 1966 Seite 2
Anfang 1967 steht Bodo Hinze plötzlich alleine da. Verträge gibt es noch für The Vanguards, aber keine Band mehr. Hinze schließt sich einer Truppe Österreicher an, aus Wien, die ganz ordentlich spielen, aber auch eigene Verträge unterschrieben haben.
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Rio Bar, Stuttgart, Februar 1967 Seite 1
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Rio Bar, Stuttgart, Februar 1967 Seite 2
Mann-o-Mann, Papa verdiente – wenn er gut verdiente – DM 650,- im Monat, und die lumperten Beatpudel machen DM 9.100,- mit ihrem Gejaule. Da soll nicht der Hund in der Pfanne verrückt werden.
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Metro Bar, Heilbronn, Juni 1967 Seite 1
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Metro Bar, Heilbronn, Juni 1967 Seite 2
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Odeonkeller, Heidelberg, Juli 1967, Seite 2
>>Johnny & The Shamrocks, Wien, Vertrag Odeonkeller, Heidelberg, Juli 1967, Seite 2
Weitere Verträge von Johnny & The Shamrocks findet man unter „Clubs…“!
Wann genau Hinze seinen ersten Job mit Johnny & The Shamrocks gehabt hat, weiß ich nicht, aber Ende Juli 1967 hat er die Band kurzerhand umbenannt, um die lukrativen Jobs bei den Amis, vermittelt von der Agentur Gisela Günther, annehmen zu können. Der Dollar stand 4: 1 gegenüber der D-Mark. Das war wie ein 5er im Lotto. Da war plötzlich Geld in den Taschen, und gelegentlich bekam man bei den Amis für dreimal wöchentlich ein paar Stunden mehr Geld als für eine 6-Tage-Woche mit Hämmern bis nachts um 4 in deutschen Pressluftschuppen! Die Soldaten sollten schließlich morgens ausgeruht zum Dienst erscheinen.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Coleman Club, Mannheim, Dezember 1967
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Coleman Club, Mannheim, Dezember 1967 Seite 2
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Wiley Club, Neu-Ulm, Januar 1968 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Wiley Club, Neu-Ulm, Januar 1968 Seite 2
Und wenn dermaßen lukrative Jobs angeboten wurden, dann unterschrieb man auch, ohne daß man wusste, wohin es einen verschlagen würde. Passt scho, wie der Bayer zu sagen pflegt.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag für irgendwo in amerikanischen Kasernen, Februar 1968 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag für irgendwo in amerikanischen Kasernen, Februar 1968 Seite 2
Die Verträge wurden allesamt von Bodo Hinze ausgehandelt und unterschrieben, dem Kopf (auch) der neuen Vanguards, der Vanguards der dritten Generation, wie er sie nannte.
Mensch Bodo, ich vermisse dich. Die Anrufe, die eingeläutet wurden mit „Der Bodo!“ – wie schön das war. Diesen Menschen muss man erlebt haben, Herz, Verstand, Witz.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag EM Open Mess, Wertheim, März 1968 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag EM Open Mess, Wertheim, März 1968 Seite 2-min
Man traf wieder einmal die Erwartungen der Verantwortlichen – die Floorshows liefen wie geschmiert. Also Re-Engagement.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag EM Open Mess, Wertheim, April 1968 Seite 1
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag EM Open Mess, Wertheim, April 1968 Seite 1
Weiter geht’s. Geschmeidig in die EM-Clubs. Da ging es fast immer gesittet zu. Aber nun sind The Vanguards zu sechst. Funktion des neuen Mannes?
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Patton EM Club, Heidelberg, Mai1968 Seite 2
Nun, 1967 war das Jahr, als die ersten Diskotheken richtig Bambule machten. Die Bands mussten nun gegen eine Tonqualität ankämpfen, die de facto nicht zu schlagen war. Und dann hopsten da in den Discos steile Zähne herum, ließen ihre Titten wackeln und die Hüften schwingen, so daß den Besuchern der Schweiß auf die Stirn trat. Mir nicht, übrigens, ich fand die vortanzenden Bräute eher kontraproduktiv. Aber The Vanguards bieten nun auch einen Wackelpo an.
>>The Vanguards, Berlin, Vertrag Airmen’s Open Mess, Hahn, Juni 1968 Seite 2
Bald sind die Vanguards nur noch eine Anekdote der Geschichte. Man löst auch die letzte Truppe auf.
Durch seine Verbindungen zu den Ami-Clubs bekommt Bodo Hinze das Angebot, in die USA zu gehen, als Bassist in der Ray Charles-Band. Das macht er zwei/drei Jahre, dann zieht es ihn zurück nach Deutschland. Er kann nicht ohne Salzkartoffeln leben. Verstehe ich. Aber die Fanpost von damals hat er noch im Schuhkarton.
>>Fanpost Vanguards mit Räuchermännchen
Eine ausführliche Vanguards-Story könnt ihr in den Linernotes zu der CD „Die Berlin-Szene“ (Bear Family) lesen. Die hier auf der Webseite veröffentlichten Songs sind, wie auch „Long Tall Shorty“ auf der CD, von einer unveröffentllichten LP. Ich besitze diese als ziemlich verkratztes Acetat. Es gibt nur zwei Stück von diesem Acetat. Das andere Exemplar befindet sich bei einem Plattensammler in Berlin.
Weitere Fotos von The Vanguards bei „Clubs…“.
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